Heute habe ich ein ganz tolles Interview mit Ulla, einer deutschen Mutter, die mit ihrem Mann und drei Kindern (8, 13 und 15 Jahre alt) im Moment in Malawi lebt. Ihr Mann ist Kinderarzt und Tropenmediziner und die Familie hat schon einiges von der Welt gesehen.
Davor lebten sie vier Jahre in Papua Neuguinea, wo sie, im Gegensatz zur Hauptstadt jetzt, in einem sehr abgelegenen, ländlichen Gebiet gelebt haben.
Ulla ist Grundschullehrerin und nutzt ihre Zeit im Ausland, um als Volontärin Erfahrungen in verschiedenen Bereichen zu sammeln. Meistens bleibt sie dann doch wieder bei etwas Pädagogischem hängen. Heute erzählt sie uns, wie das „Mamasein in Malawi und Papua Neuguinea“ ist.
Drillinge in einer Hütte in Malawi. Quelle: Ulla privat |
1) Wie bereiten sich die Mütter in Malawi und in Papua Neuguinea auf die Geburt des Kindes vor?
In beiden Ländern werden die Mütter angehalten, regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen ins nächste Health Center zu gehen. Das scheitert aber oft an einer vernünftigen Infrastruktur oder daran, dass viele Frauen aufgrund mangelnder Bildung erst spät überhaupt merken, dass sie schwanger sind. Oft sind die abgelegenen Gesundheitsposten auch sehr schlecht ausgestattet, so dass den Frauen nicht wirklich weitergeholfen kann bzw. kritische Schwangerschaften nicht oder zu spät erkannt werden. Ein nicht zu unterschätzender Faktor sind auch die traditionellen Heiler bzw. gerade in Afrika die "Zauberer". Gerade in ländlichen Gebieten sind sie noch häufig die ersten und bevorzugten Ansprechpartner.
2) Wo findet die Geburt statt und sind die Väter der Kinder oder andere Verwandte dabei?
Sowohl in Malawi als auch in PNG wird eine Krankenhaus-Geburt propagiert. Zu viele Mütter sterben nach wie vor bei Geburten auf den Dörfern. Von Malawi weiß ich, dass laut Statistik mittlerweile auch tatsächlich die meisten Frauen in einer Gesundheitseinrichtung entbinden. Die Geburt an sich ist reine Frauensache. Auf eine Wohlfühlatmosphäre wird überhaupt kein Wert gelegt und oft geht es im Kreißsaal auch sehr ruppig zu; die Geburtshelfer sind oft nicht wirklich eine Hilfe. Entbindungen auf dem Dorf werden von erfahrenen Frauen begleitet, die aber meist keinerlei medizinische Ausbildung haben. Komplikationen sind bei den langen, beschwerlichen Wegen ins nächste Krankenhaus dann leider oft lebensgefährlich für Mutter und Kind.
Auf einer Neugeborenen-Station in einem Distriktkrankenhaus in Malawi. Quelle: Ulla privat |
3) Wie gestaltet sich die erste Zeit mit dem Neugeborenen? Gibt es in Malawi und Papua Neuguinea auch so etwas wie Elternzeit?
Es gibt in Malawi für Angestellte einen gesetzlich geregelten Mutterschutz von ein paar Wochen nach der Geburt. So etwas wie Elternzeit gibt es nicht. In der Praxis sieht es v.a. auf dem Dorf so aus: Wenn die Geburt unproblematisch verlief, werden in beiden Ländern die Neugeborenen auf den Rücken gebunden (Malawi) oder ins Baby-Bilum gelegt (eine traditionelle Netztasche aus PNG) und die Frauen gehen ihren täglichen Arbeiten wieder nach: sie sammeln Feuerholz, arbeiten im Garten, verkaufen Gemüse auf dem Markt, fegen das Haus usw. Mir bleibt da nur eine große Hochachtung und tiefe Demut.
Eine junge Mama in Malawi. Quelle: Ulla privat |
4) Worauf legen Mütter besonderen Wert? Gibt es Unterschiede zu den Müttern in Deutschland, Malawi und Papua Neuguinea?
Ich denke, am meisten fällt wohl auf, dass die Kinder wenigstens bis zum 1. Geburtstag ständig überall dabei sind. Es ist selbstverständlich, dass am Rücken ein Baby schläft, es ist auch selbstverständlich, dass es schreit oder gestillt wird, egal, wo. Kinder zu haben ist in Malawi und PNG keine große und keine besondere Sache. Vor allem in den Städten legen Eltern mittlerweile Wert auf eine gute Bildung und versuchen, ihren Kindern eine Schullaufbahn zu ermöglichen. Sie sind hier nicht mehr nur Altersvorsorge oder Arbeitskraft.
5) Gehen die Kinder alle in die Krippe oder in den Kindergarten?
Nein. In den Städten Malawis sprießen Kindergärten zwar wie Pilze aus dem Boden, die Qualität sei aber dahingestellt. Kindergärten und Krippen sind außerdem reine Privatinstitutionen und für die durchschnittliche Familie unbezahlbar.
Afrikanische Mutter mit Tochter. Quelle: Pixabay |
6) Und wann beginnt die Schule?
In Malawi herrscht eigentlich Schulpflicht und die Schule sollte für Kinder ab 5 Jahren kostenlos sein. Es ist aber trotzdem für viele Familien unerschwinglich, Bücher und Schuluniform zu bezahlen, außerdem wird nur ungern auf eine zusätzliche Arbeitskraft zu Hause verzichtet. Außerdem wird die Schulpflicht nicht staatlich kontrolliert.
Dazu kommt, dass die durchschnittliche Klassenstärke bei 80-100 Kindern pro Lehrkraft liegt. Die LehrerInnen sind unterbezahlt, schlecht ausgebildet und überfordert. Wer es sich leisten kann, schickt sein Kind auf eine Privatschule in der Stadt.
Dazu kommt, dass die durchschnittliche Klassenstärke bei 80-100 Kindern pro Lehrkraft liegt. Die LehrerInnen sind unterbezahlt, schlecht ausgebildet und überfordert. Wer es sich leisten kann, schickt sein Kind auf eine Privatschule in der Stadt.
Alltag in einem malawischen Klassenzimmer (3. Klasse). Quelle: Ulla privat |
7) In Deutschland liegt die Erziehung des Kindes mittlerweile ja hauptsächlich bei den Eltern. Ist das in Malawi und Papua Neuguinea auch so oder sind dort weitere Verwandte beteiligt?
Das afrikanische Sprichwort "Es braucht ein ganzes Dorf um ein Kind großzuziehen" kommt nicht von ungefähr, sondern wird tatsächlich gelebt. Erziehung ist in beiden Ländern hauptsächlich eine Sache der Frauen, und das Interessante ist, dass es in beiden Ländern z.B. für Mutter und Tante nur ein-und dasselbe Wort gibt. Die Verwandten helfen aber nicht nur bei der Erziehung, es kommt auch öfter vor, dass eine Tante das Kind der Schwester "adoptiert" und großzieht, z.B. weil sie keine eigenen oder weniger Kinder hat. Im Krankenhaus hat das schon oft zu ganz skurrilen Situationen geführt.
Kind im Tuch in Afrika. Quelle: Pixabay |
8) Jede Kultur hat ihre traditionellen Gerichte. Kochst Du im Moment in Malawi eher deutsche oder auch afrikanische Gerichte?
Dadurch, dass wir in der Hauptstadt leben, haben wir die Möglichkeit, komfortabel einzukaufen. Auf unserem Speiseplan steht das, was der Supermarkt/ Markt gerade hergibt. Das malawische Grundnahrungsmittel ist Nsima (ein Brei aus Maismehl, der nach nichts schmeckt). Das versuchen wir immer mal wieder in verschiedenen Variationen: in Milch gekocht, als Fladen, als Schnitten. Aber wir freuen uns auch sehr, dass wir die Möglichkeit haben, ganz normale Spaghetti mit Tomatensauce zu essen.
9) Und sieht die Brotdose im Kindergarten oder in der Schule genauso aus, wie bei den deutschen Kindern?Es ist überhaupt nicht üblich, dass malawische Kinder Essen von Zuhause mitnehmen. An vielen Schulen gibt es von NGOs (Nichtregierungsorganisation) durchgeführte Projekte, bei denen das Dorf, in dem die Schule steht, für die Versorgung der Kinder in die Verantwortung genommen wird. Das heißt, die Dorfgemeinschaft stellt Grund und Arbeitskräfte zur Verfügung und bekommt im Gegenzug Saatgut und Kücheneinrichtung u.Ä. Und die Kinder bekommen wenigstens eine ordentliche Mahlzeit am Tag. Diese Programme laufen oft sehr gut und für die Eltern stellen sie einen Anreiz da, ihre Kinder zur Schule zu schicken, weil sie dann selber einen oder mehrere Esser weniger haben.
Ullas drei Kinder in Malawi. Quelle: Ulla privat |
Unsere eigenen Kinder gehen auf die internationale Schule und der Schultag ist ziemlich lang (7.15-15 h), deswegen ist die Brotdose auf jeden Fall schon mal viiiel größer! Leider gibt es hier keine Dinge zu kaufen, die zu einer richtigen "Brotzeit" gehören, beispielsweise Käse oder Wurstaufschnitt/ Salami. Da muss man ein bisschen kreativ sein, und manchmal ist das eine ganz schöne Herausforderung. Wir kochen oft abends ein bisschen mehr und dann kommen die Reste in die Box. Heute z.B. selbst gebackenes Roggenbrot, kaltes Schnitzel, Mango, Karotte, Joghurt, Schokogeburtstagskuchenreste und Gurke.
10) In Deutschland schlafen die Babys und Kinder früh in eigenen Kinderzimmern oder die Familien haben sogenannte Familienbetten. Wie schlafen die Babys und Kinder bei Euch?
Die Hütten auf den Dörfern haben ja meist nur einen einzigen Raum. In der Ecke zusammengerollt stehen die Bastmatten, die am Abend ausgerollt werden und die ganze Familie schläft dann dort. In den Städten ist das natürlich anders.
So sieht eine klassische Hütte von innen in Malawi aus. Quelle: Ulla privat |
Auch bei uns hat jedes Kind sein eigenes Zimmer, aber die Grenzen sind fließend und jeder schläft da, wo er sich am wohlsten fühlt. Das Mamapapa-Bett ist auch mit großen Kindern noch manchmal ganz schön voll.
11) Spürst Du zwischen der deutschen, afrikanischen und der Erziehung in Papua Neuguinea Unterschiede?
Ja. Um Erziehung wird kein großes Getue gemacht, sie ist etwas ganz natürliches und passiert einfach, wenn man in der Dorfgemeinschaft aufwächst. Und alles, was man später braucht und können sollte, das lernt man dort. So tragisch es klingt, aber es geht in diesen Ländern (immer noch) darum, dass das Kind überhaupt groß wird.
Ulla, unterwegs mit einer NGO (Nichtregierungsorganisation) auf den Dörfern. Quelle: Ulla privat |
12) Wie wichtig ist Euch der Glaube und gibt es besondere Festtage, die Ihr feiert?
Wir gehen hier in Malawi nicht zur Kirche, beten aber zu Hause und feiern auch ganz traditionell die christlichen Feste.
13) Sprichst Du mit Deinen Kindern deutsch zu Hause?
Ja. Natürlich vermischt es sich manchmal, v.a. bei den Kindern, mit Englisch, aber wir achten schon darauf, dass Deutsch unsere Sprache bleibt. Schließlich wissen wir auch, dass wir wieder weiterziehen und nicht dauerhaft hierbleiben werden.
Das malawische Chichewa haben wir angefangen zu lernen und mussten es wieder aufgeben- es ist so schwer! Und hier in der Stadt hat man sowieso eher Kontakt zur internationalen Gemeinschaft oder zu Menschen, die gut Englisch sprechen.
In PNG haben wir Tok Pisin gut gelernt. Das ist natürlich ein Türöffner, wenn man die Sprache kann.
14) Und lebt Ihr zu Hause wie eine deutsche Familie oder vermischt es sich miteinander?
Ich würde schon sagen, dass wir eher wie eine deutsche Familie leben. Wir behalten deutsche Traditionen und passen sie den Umständen an oder nehmen Ideen aus anderen Kulturen auf. Der Weihnachtsbaum ist dann eben eine Weihnachtspalme und die Osternester sind nicht aus Moos, sondern aus Hibiskuszweigen.
Weihnachten in Malawi/ Quelle: Ulla privat |
Vielen Dank liebe Ulla für dieses spannende und interessante Interview und für Eure Familie weiterhin alles Liebe und Gute.
Wenn Ihr auch eine Mama kennt, die Lust hat bei meiner neuen Reihe "Mamasein in ..." mitzumachen, schreibt mir an info(at)zuckersuesseaepfel.de. Ich freue mich darauf.
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